Unsere Erlebnisse bei der Dakar 2009 |
Ein Tag bei den Helden der Dakar Text: Angelica Weiss Bilder: Bruno Emori |
Da wir jeweils dem Schweizer Winter entfliehen und in der Nähe von Cordoba leben, ist das natürlich für uns eine einmalige Gelegenheit, bei einer Etappe dabei zu sein. Als dann noch klar ist, dass eine Etappe von La Rioja nach Cordoba führt, geht das grosse Raten los, wo die Fahrzeuge durchfahren werden. Die Provinz Cordoba ist viermal so gross wie die Schweiz. Also kein leichtes Unterfangen.
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Mittwoch, 07. Januar 2009
Die Idee dieser Ausfahrt ist auch, unseren Zuschauerstandpunkt zu suchen. In Characato halten wir bei einer Estancia an, dessen Besitzer wir kennen, um zu fragen, ob er uns wohl einen Stellplatz für das Auto gibt und wir dort 2 Tage verbringen können. Irgendwo auf den 4200 Hektaren ist er zurzeit gerade unterwegs und wir verschieben den Besuch auf einen anderen Tag. Schliesslich haben wir schon über 130 Kilometer abgespult und möchten gerne vor dem nächsten Regen wieder zuhause sein. |
Dienstag, 13. Januar 2009 Für die 13. Etappe fahren wir an einem 13. wieder nach Characato, diesmal mit dem Auto. Auf der Höhe von La Falda, überholt uns das erste Dakar-Auto. Es ist der Mitsubishi von Gabriel Pozzo, dem Argentinier, der bereits aufgegeben hat. Wir nehmen das als gutes Omen. Don Raúl treffen wir nicht, aber seine Frau Memu empfängt uns freundlich, erklärt, dass sie noch mehr Leute erwarten, Familie und ein paar Gäste und ja, wir könnten gerne bei ihnen campieren. Nur, wenn wir rechtzeitig vor Strassensperrung einfahren wollten, müssten wir morgen schon zu ihnen auf die Estancia kommen. Sie hätte bereits mit der Organisation gesprochen und diese habe ihr die Sicherheitsvorkehrungen erklärt. Auf der Rückfahrt steigt die Nervosität. |
Mittwoch, 14. Januar 2009 Der ganze Tag steht im Zeichen der Vorbereitung. Wir sind nicht gerade für campen im Freien ausgerüstet, suchen Ausrüstung zusammen und kaufen mal für 3 Tage Esswaren ein. Wir leihen uns im Hotel zwei Matratzen, packen Moskitonetz, Schlafsäcke und Wolldecken ein, was man halt sonst noch so braucht. Ein Zelt haben wir nicht, aber davon lassen wir uns die Vorfreude nicht verderben. Um 17 Uhr brechen wir auf und fahren zur 60 Kilometer entfernten Estancia. Auf 1250 m Höhe über Meer liegt ein fantastisches Paradies, völlig naturbelassen und ohne Strom. Kondore kreisen über unseren Köpfen, Schafe weiden auf grünen Wiesen, trinkbares und kristallklares Wasser fliesst überall aus den Steinen hervor.
Als wir dort ankommen, ist auch schon eine Delegation einer Grossfamilie dabei, ihre Infrastruktur aufzubauen. Argentinier sind absolute Motorsportfanatiker. Zu den einzelnen Primes der WRC bewegen sich in der Provinz Cordoba nicht selten mehr als 1 Million Zuschauer. Die Technologie dieser rallyeerprobten Zuschauer ist beeindruckend. Ein kleiner Generator für Strom, ein transportabler Holzofen zum Braten und Backen, ein Koch- und Esszelt, Schlafzelte und jede Menge Fleisch. Als Erstes werden wir von unseren Campernachbarn gefragt, ob wir auch genug zu essen dabei hätten. Keine ungewöhnliche Frage für einen Argentinier, der bei einem Asado (Barbecue) ein halbes Kilo Fleisch vertilgt. Und an so einem Anlass isst man zwei Asados pro Tag. Die Besitzerfamilie stellt jede Menge Holz zur Verfügung und ein zentrales Feuer wird Tag und Nacht unterhalten.
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Donnerstag, 15. Januar 2009
Langweilig wird es uns auf der Estancia in den Bergen nicht. Wir haben keine Verpflichtungen, können den kreisenden Kondoren zusehen, Schafe zählen oder einfach ein wenig spazieren gehen. Natürlich nutzen wir die Gelegenheit, um den „besten“ Standplatz für den morgigen Tag zu suchen. Das Eingangstor der Estancia ist ungefähr 3 Meter von der Piste entfernt. Wäre ja schon mal nicht schlecht, aber die Kurve ist dort nicht so gut einsehbar. Bei der Kurve sieht man sicherlich viel, aber dort hat man keinen Einblick mehr auf den kleinen Sprung und sieht sie nicht weiterfahren. Auf den Felsen wird es morgen sicherlich sehr heiss. Und wenn man dann nicht mehr die Strecke kreuzen kann, ist der Zugang zu unseren Getränkeboxen abgeschnitten ... Also, wir entscheiden das morgen und hauen erst mal ein Stück Fleisch zwischen die Kiemen. Vor dem Eindunkeln fahren noch 3 Minibusse mit etwa 50 Polizisten vor. Auch sie zünden ein Feuer an und grillieren ihre Fleischstücke. Die Organisation hatte mit mehr Leute auf der Estancia gerechnet, die kontrolliert werden müssen.
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Freitag, 16. Januar 2009
Das Feuer hat noch genug Glut, damit wir unseren Wasserkessel hinein stellen können, denn auf Kaffee zum Frühstück möchten wir nicht verzichten. Auf meinem Spickzettel hatte ich die Startzeit aufgeschrieben, aber ein Blick mit dem Handy-Telefon ins Internet zeigt, dass die Strecke wegen der angeschwollenen Flüsse verkürzt und der Startpunkt verschoben wurde. Die Verbindungsstrecke wurde verlängert. Wir denken gleich an all die Fans, die an der nun ausgelassenen Strecke vergebens auf die Fahrzeuge warten. Aus
einem kleinen Radio wird diese Änderung von einem Lokalsender ausführlich
kommentiert. Nur über die Startzeit gibt es wilde Gerüchte. Da wir die
Strecke kennen, können wir ungefähr ausrechnen, wann der Erste an uns
vorbeifährt. Nun steigen die Wetten, wer wohl der Erste sein wird. Für
mich steht fest: Ich setze auf Cyril Depres mit der Nummer 1. Der erste Helikopter wird gesichtet. Dann die ersten beiden Flugzeuge. Es geht los. Unsere Nachbarn ziehen aus mit einer riesigen Landesfahne, Kühlboxen, Stühlen Kind und Kegel. Wir beschliessen direkt beim Eingangstor zu bleiben, weil dort ein kleiner Sprung ist.
Jetzt ist das Feld schon gemischt mit Motorrädern und Quads. Sogar Elisabeth Kraft mit ihrer Polaris können wir live an uns vorbeifahren sehen. Aber die KTM von der Italienerin Camelia Liparoti fehlt. Sie musste an diesem Tag das Handtuch werfen.
Der nächste Akt der Solidarität kommt um die Ecke gefahren. Der Chilene „Chaleco“ Lopez wird von einem anderen Kollegen am Seil über die Strecke gezogen, weil sein Motor den Geist aufgegeben hat. Wir klatschen beiden Beifall. „Chaleco“ Lopez musste dann ein paar Kilometer weiter von unserem Standort den hässlichen roten Knopf drücken, mit dem er die Aufgabe an die Rennleitung bestätigt. Was wir erst später erfahren haben, er hat sich mit dem Vorderrad immer wieder im Abschleppseil verheddert und ist mehrmals gestürzt. Er konnte nicht mehr, hatte jede Chance auf das Podest verloren und entschied sich, aufzugeben.
Wir vergessen die brennende Sonne, die Hitze, den Staub, und ich bin auch noch stolz auf den Dreck auf meinem Dakar-T-Shirt. Als ich es vor zwei Jahren geschenkt bekommen habe, hätte ich mir nie erträumen können, dass ich es mal an einer Etappe tragen würde.
Inzwischen fahren wir in einem Konvoi von Zuschauerautos. Nach einer Rechtskurve sehen wir dann ein kolossales Hindernis. Der Besenwagen! Er leuchtet uns den Weg aus, wo wir ihn kreuzen können. Ich hätte niemals im Leben gedacht, dass man an dieser Stelle irgendetwas kreuzen kann. Wir jubeln beide im Auto. Die Dakar ist standesgemäss beendet. Wir haben den Besenwagen noch gesehen. Das war noch nicht ganz der Abschluss. An einer breiteren Stelle überholen wir den Pechvogel des Überschlags, der von einem weiteren Truck abgeschleppt wird. Als wir um Mitternacht in unser Dorf einfahren, werden wir von unseren Freunden gesichtet und empfangen. Wir sind zwar ein wenig müde, total verdreckt aber voller Stolz auf jedes Foto, jedes Staubkorn und können im ersten Moment gar nicht beschreiben, was das für ein tolles Erlebnis war. Und nun satteln wir wieder unser Motorrad und unser Quad und fahren gemütlich unsere privaten Rallyes, reparieren unsere eigenen Reifenschäden und lassen uns Benzin und Verpflegung an verschiedene Orte im Outback bringen. Hasta luego, historia! |
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