Jineteada in Jesu Maria

Südamerikanische Meisterschaft der Gauchos

Die Jineteada in Jesu Maria, in der Provinz Cordoba, Argentinien ist der grösste sportliche Wettkampf der Gauchos von Südamerika.

In Jesu Maria findet jedes Jahr um den 6. Januar, dem Dreikönigstag, ein 10-tägiges Festival der Doma und Folklore statt, das jeden Abend bis zu 30'000 Zuschauer anlockt. Der Erlös dient der Unterstützung der Schulen und Kinder in der Region.

Aus der Tradition des Zureitens der Pferde entstand diese Sportart, die von Reiter und Pferd einiges abverlangt. Ähnlich wie beim Rodeo in Nordamerika geht es darum, sich auf dem Rücken eines sich wild gebärdenden Pferdes eine bestimmte Zeit zu halten.

Man reist schon am Nachmittag nach Jesu Maria, eine ansonsten verschlafene Kleinstadt umgeben von Feldern ca. 50 km nördlich von Cordoba Stadt liegend, so entsteht ein reges Treiben um das Festival. Rund um das Stadion, das eigens nur für dieses Festival erbaut wurde, befindet sich der Markt. Hier werden alle Utensilien verkauft, die man auf dem Land und als Gaucho braucht. Ein bunter Markt, an dem vom Sattel bis zum Zaumzeug, vom Silberschmuck für Pferd und Reiter, bis zu Messer und Macheten, alles für das Handwerk des argentinischen Bauern angeboten wird.

Rund um die Arena gibt es viele Restaurants, die all die kulinarischen Spezialitäten von Argentinien anbieten. Vom Chivito (Geisslein) über dem Holzfeuer bis zu Empanadas (gefüllte Teigtaschen). Chorri Pan, der Hot Dog der Argentinier und Asados mit verschiedenen Fleischstücken.

Die Pferde, alles Criollos, sind in der einen Hälfte der Arena aufgestellt. Es werden pro Nacht ungefähr 160 Pferde gebraucht, welche in den unterschiedlichen Kategorien starten. Sie werden speziell darauf trainiert, sobald sie Gewicht auf dem Rücken spüren alles zu geben, um dieses Gewicht loszuwerden. Je wilder ein Pferd sich in der Arena gegen den Reiter wehrt, desto besser. Der Reiter hat nämlich Pech, wenn das Pferd vor Schreck stillsteht und keine Anstalten macht, ihn loswerden zu wollen, dann verliert er Punkte. So erstaunt es auch nicht, dass ein älteres Pferd mit seiner Wettkampferfahrung oft wertvoller ist als ein junges Tier. Viele sind schon zu einer Berühmtheit geworden und gelten als „muy bravo“, sehr böse. Ansonsten sind es liebenswürdige Tiere, die nicht etwa wild sind und weder beissen noch treten.

Früher blieb der Jinete, der Reiter, so lange auf dem Pferd, bis das Pferd ermüdete und ein weiterer Ausbildungsschritt beim Zureiten angegangen werden konnte. Heute ist daraus ein Sport geworden, der in drei Kategorien ausgetragen wird.

Die schwerste Kategorie heisst „crina limpia“, was übersetzt bedeutet: nur Mähne. Das bedeutet, dass der Reiter sich nur mit der linken Hand an der Mähne des Pferde festhalten darf. In der rechten Hand hält er die Peitsche. Nun gilt es darum, mindestens 8 Sekunden oben zu bleiben. Verliert er die Peitsche, oder berührt er mit der rechten Hand das Pferd, gibt es Punkteabzug.

Die mittlere Kategorie nennt sich „gurupa“. Auf der Kruppe wird ein Knäuel befestigt. In einem Stoffbeutel befinden sich alte Apargatas, die Schuhe der Gauchos ähnlich den Espadrillos, die wir aus Europa kennen. Er darf sich an diesem Bündel mit der linken Hand festhalten. Mindestens 12 Sekunden muss er oben bleiben und ebenfalls darauf achten, weder die Peitsche zu verlieren, noch das Pferd mit der rechten Hand zu berühren.

Die leichteste Kategorie ist die „basto y ensimera“. Der Reiter befestigt seine eigenen Steigbügel am Pferd und hat es so vergleichsweise leichter, als in den anderen Kategorien. Dafür muss er aber auch mindestens 15 Sekunden auf dem Pferderücken überstehen. Wenn er jedoch die Steigbügel verliert, hat er einen Punkteabzug in Kauf zu nehmen.

Der Jinete präsentiert sich in seiner vollen Ausrüstung, die zu einem Gaucho gehört. Dies sind:

     -  die Bombachas de Campo, eine sehr bequeme Baumwollhose

     -  der Sombrero, der Hut oder die Boina, eine Art Baskenmütze

     -  die Faja, ein Stoffgürtel

     -  die Rastra, eine Art Nierengürtel zum Schutz der Nieren und Wirbelsäule

     -  die Botas de potro, Stiefel, die aus dem Leder der Hinterhand des Pferdes gemacht sind. Ein ganz enganliegender Stiefel,

        der früher auch keine Sohlen hatte, damit sich der Fuss auf keinen Fall im Steigbügel verhängen kann

     -  die Peitsche.

Das Messer, das jeder Gaucho auf dem Campo im Gürtel trägt, wird während des wilden Rittes natürlich abgelegt.

Der Reiter absolviert während der 10 Nächte jeweils 2 Ritte pro Abend und sammelt so seine Punkte. Am Ende des Festivals steht der Sieger fest und ist der Champion von Südamerika. Sein Preisgeld ist verglichen mit den Risiken, die diese Sportart in sich birgt gering. So verdient er ca. 1300 Schweizer Franken. Sicherlich, verglichen mit dem Lohn eines Gauchos auf dem Campo eine stolze Summe.

Vor dem Eindunkeln begibt man sich in das Stadion. Die 100 Gauchos und Reiter, die an dem Festival teilnehmen, haben das ganze Jahr über schon strenge Qualifikationen absolviert, um an diesem Ort dann auf die Pferde zu steigen. Die meisten Festbesucher sind ebenfalls alle in ihren farbenprächtigen Gewändern erschienen und bilden so eine bunte Kulisse.

Bevor das eigentliche Spektakel beginnt, wird die Unterhaltung von verschiedenen argentinischen Folkloregruppen bestritten. Dazu werden in der Arena Showeinlagen geboten. Tanzende Pferde, Pferde die sich auf den Rücken legen und die Beine in der Luft kreuzen. Elegante Vorführungen, welche die Zuschauer schon auf das kommende Einstimmen sollen.

Und dann geht es los. Am einen Ende der Arena werden 3 Pferde an die Pfähle geführt. Nun wird es ernst und die Mannschaft in der Arena bekommt viel Arbeit.

Da ist zum einen der berittene Chef der Arena. Er organisiert sich mit den Schiedsrichtern. Das Los entscheidet, welches Pferd welchem Reiter zugeteilt wird. Er führt als einziger noch ein Messer mit, denn er muss im Notfall auch blitzschnell einen unglücklich verhedderten Reiter vom Pferd losschneiden können, sei das in den beiden Kategorien mit Hilfsmitteln, oder wenn es darum geht, die verknüpfte Hand des Jinetes aus der Mähne des Pferdes zu befreien.

Dann stellen sich die 2 „Apadrinadores“ auf. Sie haben die Aufgabe, den Reiter nach absolvierter Zeit vom wilden Pferd zu fischen. Sie haben ihre Pferde natürlich bewundernswert im Griff. Einer links und einer rechts vom wilden Tier greifen sie dem Jinete unter die Arme, um ihn so vom Pferderücken zu holen. Denn die Wettkampfpferde können nicht auf normale Art und Weise angehalten werden, um bequem von ihnen abzusteigen. Und ein Sprung vom Pferderücken wäre viel zu gefährlich.

Dann sind da noch die berittenen 4 „Acarreadores“. Sie kümmern sich darum die Pferde vorzubereiten und an die Pfähle zu führen oder wieder in den Corral hinter der Arena zurückzutreiben.

Pro Pfahl gibt es eine Hilfskraft zu Fuss, die dem Reiter behilflich ist und das Pferd vom Pfahl losbinden.

Ausserhalb der Arena, am Rand sitzen die 4 Schiedsrichter, die die Punkte vergeben. Einer ist speziell für die Uhr zuständig.

Der Kommentator ist natürlich auch wichtig, denn er verkündet die Punkte.

Der „Payador“ ist der Hauptunterhalter. Mit seiner Gitarre kommentiert er mit einem Gesang in einer Kurzzusammenfassung, wie es dem Reiter auf dem Pferd ergangen ist. Da kommen dann gar witzige und treffende Bemerkungen zustande, ob Lob oder Kritik und manches Mal auch Bedauern darüber, dass schon nach 2 Sekunden der Boden den Reiter wieder hatte. Er vergibt seine eigenen Noten und Punkte. Je wilder ein Tier sich gibt und die wildesten scheuen auch nicht davor zurück, sich nach hinten zu kippen, um so die Last vom Rücken loszuwerden, desto begeisterter kommentiert er singend den Vorgang.

Es ist unglaublich, was für Verrenkungen gefolgt von Seitensprüngen, Drehungen und Sprints gezeigt werden. Natürlich scheut sich der Gaucho in manchen Fällen nicht, mit ein paar Peitschenhieben das Tier zu noch mehr Wildheit anzustacheln. Nicht selten wird das mit einem kriminellen Abgang belohnt. Die Gauchos lassen sich hinterher nur sehr ungern auf die Füsse helfen, sondern gehen nach einem missglückten Ritt hocherhobenen Hauptes aus der Arena, meist direkt in die Ecke der Ambulanz mit dem Ärzteteam.

Presse, Fernsehen und Radio sind zahlreich vertreten und eine bewegliche Kamera verfolgt den Jinete quer durch die Arena. Die Übertragungen werden jeden Abend in ganz Südamerika gesendet. Für die Fotografen ist es sehr schwer, gute Fotos zu schiessen, denn ein Blitzlicht ist nicht erlaubt.

Die laue Sommernacht, die knisternde Aufregung unter den Zuschauern, sich ab und zu einen guten Happen zu gönnen und die gute Stimmung lassen diesen Anlass zu einem Genuss werden.

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